Interview
INTERVIEW
Lieber Herr Zander, ich freue mich sehr, dass Sie sich für uns Zeit nehmen. Sie sind seit rund 60 Jahren ein fester Name in der Musikbranche. Wie fühlt sich das für Sie an?
Also wenn ich so drüber nachdenke, was ich alles schon Verrücktes fabriziert habe – das ist schon irre. Ich freue mich natürlich immer, wenn ich sogar noch von den jungen Leuten auf Songs oder Fernsehshows angesprochen werde. Anscheinend sind ein paar Evergreens in meiner langen Karriere dabei. Ja, es fühlt sich richtig gut an…
Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf meine Familie natürlich und auf meinen ersten Nummer Eins Hit „Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein“. Das war 1975 und am beliebtesten war der Titel in Österreich, dort hat man meinen Hang zum schwarzen Humor sehr geschätzt und geliebt. Ich war mit diesem Song quasi der erste Deutsche Rapper 😉 Naja und klar bin ich auch echt stolz auf das 2. Bundesverdienstkreuz, was ich letztes Jahr vom Bundespräsidenten für soziales Engagement bekommen habe.
Sie engagieren sich neben Ihrem künstlerischen Schaffen auch für Obdachlose und haben eine sehr soziale Ader. Wie kam das? Gab es da ein Schlüsselerlebnis?
Ich war schon immer sehr sozial eingestellt und stand auf der Seite der Schwächeren in unserer Gesellschaft. Vielleicht waren auch meine zahlreichen Sauf-Lieder ausschlaggebend. Mit Songs wie „Ich trink auf Dein Wohl, Marie“ oder „Dann Prost mein Freund“ hab ich bereits Anfang der 70er Jahre einigen aus der Seele gesungen. Ich bin dann regelmäßig mit Kleiderspenden oder Geld zum Bahnhof Zoo gefahren und hab mit den Menschen gesprochen, für die war ich glaubwürdig. Und da hab ich damals auch meinen Sohn immer mitgenommen, der diese soziale Ader anscheinend geerbt hat und mich bis heute seit fast 30 Jahren mit der großen Berliner Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige unterstützt.
Sie wirken auch mit 81 Jahren immer noch jung. Woher nehmen Sie Ihre Energie?
Tja, ich hab einfach immer Lust auf’s Leben und auf Neues. Egal ob es Musik ist oder das Malen oder auch mal n schönen Science Fiction Film Kino. Ich glaube die Freude an neuen Dingen hält mich jung. Kraft auftanken kann ich gut in Kneipen oder beim Zeichnen.
Wer war Ihr großes Vorbild? Wer hat Ihren Lebensweg maßgeblich geprägt?
Meine Vorbilder in den 70ern waren ganz verrückte Künstler wie „Dr. Feelgood“, „Cheech and Chong“ oder „Spike Jones“. Viele Sketche und Songs meiner ersten Alben „Wahnsinn“ und „Zanders Zorn“ waren an diese Künstler angelehnt. Der Mainstream hat mich nie besonders interessiert, ich stand auf die ganz besonderen und skurrilen Sachen. Natürlich waren für mich auch Gitarristen wir Hank Marvin, Chat Atkins oder auch Mark Knopfler Vorbilder. Ein weiteres großes Vorbild war Walt Disney und seine Comic-Zeichnungen, sein Stil hat mich bis heute geprägt und diese Einflüsse finden sich in meinen verrückten Fisch-Gemälden wieder.
Ich kenne Sie schon seit Kindertagen (Jahrgang 1970) - und rund 40 Jahre später wirken Sie auf mich immer noch so unheimlich cool. Wie schaffen Sie das?
Ich bin einfach so wie ich bin und verstelle mich nicht – schlüpfe aber auf der Bühne gern in andere Rollen wie „Kurt“ oder „Frankenstein“, trage gerne coole blaue Sonnenbrillen und verrückte Jacken, ansonsten mach ich mir nicht viel aus Mode. Aber vielleicht liegt es auch an meiner rauen Stimme, die anscheinend eine gewisse Erotik ausstrahlt.
Man sagt oft: Raue Schale, weicher Kern, trifft das bei Ihnen zu und wenn ja/nein, warum (nicht)?
Also cool ist ja nicht gleich rau, deswegen würde ich sagen, dass dieses Sprichwort nicht unbedingt auf mich zutrifft. Schale und Kern sind bei mir doch sehr ähnlich und das spüren die Menschen auch, mit denen ich im Gespräch bin. Ich hab oft den Satz von Fans gehört: „Mensch der Frankie ist ja genauso wie ich ihn mir vorgestellt habe – nahbar und authentisch.“
Wie würden Sie Ihre Lebensphilosophie umschreiben?
„Positiv denken und mit etwas Grundvertrauen kriegen wir alles hin – am Ende wird alles gut“
Hat ein Mann wie Sie auch mit sogenannten „Alters-Zipperlein“ zu kämpfen?
Klar, wer hat das nicht. Aber ich will nicht rumheulen, anderen geht es viel schlechter. Ich hab zwei neue Hüften, den Prostatakrebs überwunden und bin bis heute gut durchs Leben gekommen. Älterwerden ist nix für Feiglinge.
Wie fühlen Sie sich generell, wenn Sie morgens aufstehen? Sie wirken nicht wie jemand, der jeden morgen Yoga macht oder 10 Kilometer joggt, oder täusche ich mich da? Wie halten Sie sich fit?
Ich hab so meine Rituale: Apfel, Banane, n Kaffee und mit einem ganz harten Schwamm den ganzen Körper abrubbeln. Dann bin ich wach, komme in Fahrt und der Tag kann kommen. Aber so richtig wach bin erst gegen Abend, da fallen mir dann auch neue Ideen ein und ich kann entspannt malen. Das Schlimmste für mich sind Telefon-Interviews oder Live-Auftritte am Morgen. Fit halten ist sehr wichtig und ich muss mich leider oft dazu durchringen, mich mehr zu bewegen. Dann laufe ich ne Runde durch den Lietzenseepark bei uns in der Nähe oder nehme den Stepper, der bei uns in der Wohnung steht.
Haben Sie Angst vor dem Älterwerden bzw. vor der Endlichkeit des Lebens?
Ich würde sagen ich hab Respekt vor der Zeit und denke nicht an das Ende. Solange ich im Geiste noch jung bin, ist alles ok. Gestern erst hab ich mit einem guten Bekannten telefoniert: Hans Blum – er hat viele Hits komponiert und wurde als Sänger mit „Im Wagen vor mir“ berühmt. Er wird dieses Jahr 95 Jahre alt und ist für mich ein absolutes Vorbild, wenn es ums Alter und die Lebenseinstellung geht. Trotz vieler Einschränkungen und privater Schicksalsschläge ist er immer noch guten Mutes.
Sie sind auch als Maler erfolgreich. Wo fühlen Sie sich wohler: was macht Ihnen mehr Spaß: die Malerei oder die Musik – und warum?
Beides hat seine Zeit und beides ist wichtig für mich, weil ich meine kreativen und verrückten Ideen ausleben kann. Gerade male ich viel und freue mich auf kleine und große Ausstellungen meiner Gemälde. Bei den Eröffnungen wollen die Leute natürlich auch n paar Zander-Hits hören. Dann gibt’s ne kleine Einlage mit Gitarre und ich kann so Musik und Malerei verbinden. Musik und Malerei haben mich mein ganzes Leben begleitet, das wird so bleiben – das gehört zu mir.
Verraten Sie uns eine Ihrer Jugendsünden? Gibt es Dinge, die Ihnen im Nachhinein peinlich oder unangenehm waren – und was war das genau?
So richtig unangenehm und peinlich war die Situation bei der Fernsehrateshow „Pyramide“ mit Dieter Thomas Heck in den 80ern. Das ist lange her, aber ich weiß noch genau, wie ich unter Zeitdruck zig Fragen beantworten musste. Tja und unter Druck geht bei mir gar nichts. Ich hab gleich gemerkt, das schaffe ich nicht und versuchte, ein paar Witze zu machen. Aber meine Spielpartnerin fand das gar nicht lustig, denn sie hätte das Geld gewonnen und am Ende haben wir natürlich verloren. Nach der Sendung hab ich mir geschworen: Nie wieder ne ernsthafte Rateshow!
Privat führen Sie seit über 50 Jahren eine glückliche Ehe, sind Vater und Großvater. Sowas kennt man eigentlich nur von ganz „braven“ Schlagersängern – Wie kommt das? Was würden Sie sagen, ist Ihr Geheimnis für eine glückliche Ehe? Und: Was schätzen Sie an Ihrer Frau besonders?
Na, da fragen sie lieber meine Frau, denn so ganz brav bin ich nicht. Ich sag immer: Ich bin der Straßenköter und sie das Kampf-Frettchen. Evy und ich sind grundverschieden, sie ist vom Sternzeichen Stier und steht mit vier Beinen fest auf dem Boden und ich bin als Wassermann eher der Träumer und lebe oft in einer verspielten Welt. Meine Frau holt mich oft zurück in die Realität und das ist auch gut so. Klar, wir streiten und kabbeln auch oft, aber finden dann letztendlich immer eine Lösung. Die ganze Familie, besonders mein Sohn, trägt dazu bei, dass wir gemeinsam wieder den richtigen Weg einschlagen.
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kuss?
Oh – da muss ich überlegen… Da war ich so 14 oder 15 und das war echt wie im Film. Es war Sommer, ich war noch janz dünne und wurde in den Ferien in den Urlaub nach Celle verschickt. Das war damals so üblich. Und soweit ich mich erinnern kann, hab ich dort das Mädchen kennengelernt. Ich war echt schüchtern und tja – ich glaub es hat ihr leider nicht so gefallen.
Im Mai haben Sie und Ihre Frau 55. Hochzeitstag. Wie möchten Sie diesen Tag feiern?
Echt? Schon der 55.? Gut, dass sie mich erinnern! 😉 Vielleicht gehen wir zu zweit gemütlich was Essen oder wir besuchen meinen Sohn mit Familie und grillen was.
Haben Sie eigentlich eine romantische Ader?
Na ich denke schon, aber ich muss zugeben, der ganz große Romantiker bin ich nicht.
Wie tickt Frank Zander als Familienmensch? Welche Werte sind Ihnen besonders wichtig?
Freunde und Familie sind das Wichtigste im Leben. Freunde und Familie geben mir den Halt, den ich in meiner manchmal chaotischen Welt brauche. Ohne meine Familie wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Meine Frau passt auf mich auf und mein Sohn sorgt dafür, dass die ganzen Ideen auch in die Tat umgesetzt werden. Meine Schwiegertochter arbeitet auch in unserem kleinen Büro und wir können uns aufeinander verlassen. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Corona Zeit hat einige Narben hinterlassen und ich freu mich schon auf den Frühling, wenn wir auch wieder mehr Freunde treffen können.
Ihr Enkel Elias spielte mit Ihnen schon einen Song – wie fühlt sich das an?
Mein Sohn hatte die Idee, zum runden Geburtstag einen neuen Song zu veröffentlichen. Tja und als Sahnehäubchen gab’s dann noch ne Überraschung. Mein Enkel Elias ist mit seinen 21 Jahren ein ganz hervorragender Schlagzeuger geworden. Er will Musiklehrer werden und ist gerade in der Studienvorbereitung. Da bin ich richtig stolz drauf! Er spielt seit seinem 7. Lebensjahr und hat nun live die Drums bei meinem Song „Freunde wie Felsen“ eingespielt. Mein Sohn hat mich mit dieser Idee echt überrascht und ich war erstmal baff. Also man kann sagen, es ist ein echte Familienproduktion geworden. Der Song ist schön rockig, kraftvoll und textlich sehr biografisch. Wir haben auch ein sehr schönes und privates Video dazu gedreht mit Szenen der letzten Weihnachtsfeier für Obdachlose, aus meiner Lieblingskneipe und mit Aufnahmen an der Berliner Havel.
Welche Träume haben Sie, die Sie noch gern verwirklichen würden?
Ich würde gern in einem Grusel- oder Horrorkinofilm mitspielen. So ein verrückter alter Professor würde mir gut stehen, so wie in Tanz der Vampire, einer meiner Lieblingsfilme. Ich bin aber froh und dankbar, dass ich mir in meinem Leben wirklich viele Träume erfüllen konnte.
Wie wollen Sie der Nachwelt später in Erinnerung bleiben?
Vor einigen Wochen bei einem Heimspiel von Hertha BSC, für die ich ja die Hymne „Nur Nach Hause“ singe, sagte ein Fan im Vorbeigehen zu mir: „Ey, Zander: Alte Legende!“ Das hat mir gefallen 😉Nein im Ernst: „… Frank Zander? Das war doch der Moderator der Plattenküche, der Sänger mit den vielen verrückten Hits und das war der, der Jahrzehnte Weihnachtsfeiern für Obdachlose in Berlin organisierte. Ein treuer, herzlicher und cooler Typ.
Sie sind Berliner und die Stadt hat sich seit den 70er Jahren erheblich verändert. Welche Veränderungen finden Sie gut und was vermissen Sie aus den alten Zeiten?
Ich vermisse die guten alten Eckkneipen, in der sich die Leute treffen und ihr Herz ausschütten können. Davon gibt es leider immer weniger. Was mir aber nach wie vor an Berlin so gefällt und was besonders nach der Wende noch intensiver geworden ist, ist das bunte Leben und die Vielfalt. Hier in Berlin kannst du Ruhe haben, in den Grunewald oder an den Müggelsee fahren, oder um die Ecke im Getümmel Leute treffen. Man spürt die Kreativität in der Stadt, hier ist alles möglich.
Was verschafft Ihnen Glücksgefühle?
Meine Familie, ein guter Science-Fiction Film, eine gemütliche Kneipe und ein gutes Bier!